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Die Wiege der Weiber­fastnacht
steht in Beuel – seit 1824
Nein, nicht etwa Kölle oder Düsseldorf dürfen sich die Mutter aller Weiberfastnachten schimpfen. Hier in Beuel wurde der legendäre Kühndonnerstag vor mehr als 190 Jahren aus der Taufe gehoben und hat bis heute gefühlt rund 721,9 Millionen Herren um die Krawatte und so einige Ratsherren um den Verstand gebracht. Der Grund liegt rechtsrheinisch, wo sonst. Dort betrieben damals die Beueler Wäschereien ihr Handwerk und als die Herren an Karneval ausgeflogen waren, spielten die Wäscherinnen verrückt und wollten auch mal Spaß haben. Was als Kaffeeklatsch begann ist heute Kult, Tradition, Welterfolg!

An Weiberfastnacht geht’s den Männern an die Wäsche.

Wir schreiben das Jahr 1824. In einer Zeit, in der traditionell die Männer die Herrschaft im Karneval haben, will sich eine handvoll Beueler Wäscherrinnen diese Geschlechterteilung nicht länger gefallen lassen. Die hart arbeitenden Frauen, die mit ihrer Tatkraft die Stutze eines Jahrhunderte alten Gewerbezweiges in Bonn waren, wollten nicht mehr nur die Wäsche aus den umliegenden Städten waschen, sondern auch mal ihren Spaß haben.
Als ihre Männer wie in jedem Jahr am Donnerstag vor Karneval nach Köln fuhren, um dort die frisch gewaschene Wäsche abzuliefern und sich ausgiebig den Karnevalsgelüsten hinzugeben, starteten die Wäscherinnen den Ausbruch aus der üblichen Frauenrolle: Sie setzten sich zu einem Kaffeeklatsch zusammen – die Geburtsstunde der Weiberfastnacht. In den Folgejahren schlossen sich immer mehr verheiratete Frauen, sogenannte Möhne, den Wäscherinnen an. Alljährliche Tradition hatte fortan der donnerstägliche Festumzug, der in einer anschließenden Wieversitzung endete. Männer hatten erst zum Abschluss der Veranstaltung Einlass in den Saal. Aus diesem Treiben heraus entwickelte die Beueler Weiberfastnacht schon bald ihren Siegeszug durch die rheinischen Lande, an dem auch das vermeintlich starke Geschlecht zunehmend Gefallen fand. Mit dem Sturm auf das Rathaus beginnt seitdem das große Fest.

200 Jahre Weiberfastnacht

Die Weiberfastnacht im Bonner Stadtteil Beuel feiert im Jahr 2024 ihr 200jähriges Bestehen.
1824 gründete sich das erste Komitee aus „Waschweibern“, das heutige Alte Beueler Damenkomitee. Die Beueler Wäscherinnen wehrten sich gegen die Dominanz der Männer und die damit verbundene Ausbeutung der Frauen.
„200 Jahre Beueler Weiberfastnacht“. Oberbürgermeisterin Katja Dörner, Schirmherrin des Jubiläums, betonte zum Abschluss noch einmal die Bedeutung dieses Brauchtums für den Stadtbezirk:
„Die Weiberfastnacht ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Denn in Beuel wurde erfunden, was heute Millionen von Menschen im Rheinland feiern.“
Auch Ina Harder, Vorsitzende des Fördervereins Beueler Weiberfastnacht, zieht ein positives Fazit: „Wir haben im Jubiläumsjahr nicht nur eine tolle Session gefeiert, sondern auch darüber hinaus bei vielen Veranstaltungen gezeigt, dass die Beueler Weiberfastnacht Frauen auch heute wichtige Impulse geben kann.“

Die Highlights des Jubiläumsjahres im Rückblick

  • Die Proklamation der Wäscherprinzessin Sabrina I. (Michel) wurde zu einem Festakt unter dem Motto „NRW gratuliert Beuel“ mit hauptsächlich weiblichen Kräften aus Beuel und ganz Nordrhein-Westfalen, so auch die Präsidentin der Stunksitzung, Biggi Wanninger.
  • Rund 150 Auftritte absolvierte die Wäscherprinzessin Sabrina I. in der Jubiläumssession. Ein besonderer Höhepunkt war der Auftritt beim Tollitätenempfang des Bundeskanzlers Olaf Scholz, zu dem sie auf Einladung des Bund Deutscher Karneval das Land Nordrhein-Westfalen repräsentierte.
  • Nicht nur die prominenten Auftritte hinterließen besondere Eindrücke bei der Jubiläums-Prinzessin: „Auf einer Karnevalsfeier der integrativen Sportgruppe Bananenflanke erklärte ich Menschen mit Beeinträchtigungen das Bützen und tanzte mit ihnen im Rund. Das ging mir emotional sehr nah, so viel echte Freude zu spüren.“, so Sabrina.
  • Ein Festbuch zur Entstehung der Weiberfastnacht wurde veröffentlicht, ebenso ein schnell vergriffenes Kindermalbuch für die Arbeit in Kitas. Ein Schulprojekt vermittelt Schülerinnen und Schülern das Brauchtum.
    Auch die Museen wirkten mit: Das Frauenmuseum Bonn wies in einer Ausstellung zur Rolle der Frauen im Bonner Karneval auf die Tradition der Weiberfastnacht hin. Das Heimatmuseum Beuel zeigte eine vielbesuchte Sonderausstellung zum Jubiläum.
  • Erstmals fand ein Open-Air-Konzert am Beueler Rheinufer statt: „200 Jahre Beueler Weiberfastnacht“ mit vielen bekannten rheinischen Bands wie Brings, Cat Balou und Bläck Fööss.
  • Am Vorabend des Weltfrauentages lud Oberbürgermeisterin Katja Dörner zu einem Empfang ins Alte Rathaus ein.
  • Mit einem Infostand präsentierte sich die Beueler Weiberfastnacht beim großen „Fest der Demokratie“ im Mai im Park der Villa Hammerschmidt mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig sowie rund 80.000 Menschen. Anlass für das Fest war der 75. Geburtstag des Grundgesetzes „made in Bonn“.
  • Der Förderverein Beueler Weiberfastnacht lud einen Tag danach zu einer Matinee „Starke Frauen in Europa und in Bonn“ ein. Die ehemalige Bundestagspräsidentin, Prof. Dr. Rita Süssmuth, hielt einen bewegenden Vortrag zur Stärkung von Frauen in Politik und Gesellschaft.

Damit keiner dumm aus der Wäsche gucken muss

Damit eine Wäscherprinzessin so richtig in Schwung kommt, muss sie was schwingen – ein Zepter am besten. Und damit eine Weiberfastnacht nicht nur Veranstaltung ist, sondern Kultcharakter hat, gehört ein attraktives Wappen wie selbstverständlich zum Repertoire. Was es mit den beiden Symbolen im Zusammenhang mit dem Beueler Karneval auf sich hat, erfahren Sie hier ebenso, wie alles über die einzigartigen Symbolfiguren, die unserer Weiberfastnacht die besondere Note geben.
Bröckemännche, Bröckeweibchen, Beueler Waschfrau, Stitze Män und Schultheißin heißen die fünf Charaktere, die zur Weiberfastnacht hier in Beuel gehören wie das Ufer zum Rhein. Doch welche Bedeutung haben diese Figuren eigentlich? Welche Geschichte steckt jeweils dahinter? Und was haben sie mit dem Karneval hier bei uns auf der Sonnenseite des Rheins zu tun? All das und noch mehr erfahren Sie hier:

In Beuel schwingen wir das Zepter – und was für eins.

Der guten Beobachtungsgabe zweier karnevalsbegeisterter Journalisten ist es zu verdanken, dass die Beueler Wäscherprinzessin seit 1968 ein elegantes Zepter schwingt. Als die beiden auf die Hände der damals neuen Regentin blickten, konnten sie ein hohes Maß an Nervosität feststellen, die sich nicht verbergen ließ. Rolf Tanski, damals Lokalredakteur der Bonner Rundschau, hatte gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Hartmut Palmer die rettende Idee: Ein Zepter musste her.

Zepter statt zittern.

Mit Hilfe eines eleganten Herrscherstabes sollte die zittrige Hand der Prinzessin souverän ruhiggestellt werden. Pünktlich zur Proklamation war das Meisterstück, das an seiner Spitze ein verschmitzt grinsendes Bröckemännchen (siehe auch Figuren, Bröckemännchen) zeigt, dann auch fertig. Die Entstehungskosten in Höhe von 100 Mark übernahm großzügigerweise der damalige Bürgermeister Hans Steger. Eine Kopie des Zepters ist heute im Beueler Heimatmuseum zu bewundern.

Das Beueler Wappen mit dem auf blauen Wellen schaukelnden Fährschiff greift inhaltlich die geschichtliche Vergangenheit Beuels auf – spielte hier doch die Fährschifffahrt mangels Brücken über den Rhein lange eine große Rolle. Die 13 Sterne im Wappen symbolisieren die 13 Orte, die heute zum Stadtverbund von Beuel gehören und traditionell ein starkes Eigenleben haben. Seit 24.8.1952 ist Beuel offiziell eine Stadt, vom gleichen Tag an wurde das Wappen geführt.

Symbol des Widerstands.

Als 1889 die erste Rheinbrücke in Bonn fertiggestellt wurde, war man in Beuel gar nicht verzückt – landete die Brücke doch viel weiter nördlich an als die Beueler es erwartet und straßentechnisch eingeplant hatten. Aus Protest gegen das in ihren Augen misslungene Bauwerk machten die Rechtsrheiner einfach einen großen Bogen darum und beteiligten sich auch nicht an den Baukosten. Mit dem Anbringen eines aus Stein gehauenen Bröckemännches, das den Beuelern sein Hinterteil entgegenreckte, quittierten die Bonner das Verhalten der Beueler.

Als die Brücke im zweiten Weltkrieg zerstört wurde, ging auch das Bröckemännche baden, wurde aber von Philipp Otto aus Beuel, dem Wirt der Gaststätte “Zum kleinen Museum”, gerettet. Als dann in Beuel im Jahr 1949 das 125jährige Jubiläum der Weiberfastnacht gefeiert wurde, machte Otto sein Geheimnis öffentlich – und so wurde der kleine Kerl auf einem geschmückten Wagen durch die Straßen Beuels kutschiert und triumphierend bejubelt. Anschließend übergab man das angeschlagene Bröckemännche der Stadt Bonn, die es restaurieren ließ.
Schon nach kurzer Zeit war der kleine Kobold wieder zurück an der Brücke, wurde unterhalb des Pfeilers montiert.
Sein Hinterteil zeigt heute allerdings nach Südosten Richtung Frankfurt – als kleiner Seitenhieb auf die damalige Niederlage der Mainmetropole im Kampf um die Bundeshauptstadtentscheidung.

Mit Pantoffel gegen das Bröckemännche.

Auf der Beueler Rheinseite befand sich bis Ende des zweiten Weltkriegs das Bröckeweibchen – feminines Gegenstück zum Bröckemännche. Die mit einem Pantoffel in der Hand in Drohgebärde in den Stein geschlagene Figur wurde 1898 vom Bildhauber Brasche gefertigt und hing bis zur Zerstörung am rechten Strompfeiler der Rheinbrücke. Anschließend verschwindet das Bröckeweibchen aus den Geschichtsbüchern und taucht erst 1949 wieder auf.

Um ein Denkmal für ihr 125jähriges Jubiläum der Beueler Weiberfastnacht zu schaffen, stellte das Alte Beueler Damenkomitee die Figur auf eine Sockel ans Rheinufer. Dazu die Unterschrift: “De Welt es e Laake dat selvs de Beueler net wäsche könne.” Seit 2006 ist das Bröckeweibchen in die neue Mauer im Rahmen des Hochwasser-schutzprojektes integriert. Dazu wurde sie vom Steinmetz Michael Neundorf imprägniert und mit einer von der Bildhauerin Sigrid Wenzel hergestellten Bronzetafel mit dem oben genannten Spruch versehen.
Bis heute zeigt sie mit ihrer grimmigen Mine und dem drohenden Pantoffel in Richtung des blankziehenden Bröckemännches – ein kurzweiliges Drohgebärden- und Foppspiel, das viele Brückenquerer immer wieder schmunzeln lässt.

Symbolfigur der Beueler Wäscherinnen.

Das Denkmal der Beueler Waschfrau ist stummer Zeuge eines Gewerbes, das das Leben in Bonn in weiten Teilen des 18. und 19. Jahrhunderts geprägt hat. Die Waschweiber waren legendär und sie sind es dank des wunderbaren Brauchtums des Karnevals bis heute. Wer mehr dazu erfahren möchte, dem sei ein Besuch des Beueler Heimatmuseums dringend empfohlen.

Ein Beueler Original.

Anders als der Name vermuten lässt, ist der Stitze Männ eine Frau, die sich im Leben wie ein Mann behauptet, bis ins hohe Alter furchtlos jeden Kampf aufgenommen hat und dabei stets Sieger geblieben ist. Der Name der Kultfigur geht darauf zurück, dass die Frau ihrem Vater den verstorbenen Sohn ersetzen und ihn so vor Kummer bewahren wollte. So blieb sie auch über den Tod des Vaters hinaus der Stitze Männ. Drei Jahre vor Ende des 19. Jahrhunderts trat der Stitze Männ in die Reihen des Damenkomitees ein und übernahm dort sehr bald die Leitung der Weiberfastnacht.

Da macht sich jeder seinen Reim drauf

Der wackern Schultheißin Gruß und Preis,
Sie ist der Narrheit Zier, Und glänzt im farb’gen Kappenkreis
Als funkelnder Saphir.
Drum hebt die Gläser noch empor
Und jauchzet im vollen Freudenchor:
Es lebe, es lebe, es leb‘ die Schultheißin hoch!

Sie sprüht von ihrem bunten Thron
Die tollsten Witze aus;
Sie ist der Narrheit echtes Kind,
Ein kreuzfideles Haus.
Drum salutiert, wie sich’s gebührt,
Der Heldin, die so brav uns führt,
Es lebe, es lebe, es leb‘ die Schultheißin hoch!

Ihr Pritschchen glänzet sonnenhell
Gleich einem Meteor;
Es tönet silberglockenhell
In jedes Narrenohr. Die Kappen werfet hoch empor,
Es gilt dem Narren-Matador,
Es lebe, es lebe, es leb‘ die Schultheißin hoch!

Steckt Sie die Nase in ihr Glas
Und sucht der Weisen Stein,
Netzt ihr die Lipp‘ das duft’ge Naß,
So folgt der Führerin fein.
Dann lacht man, daß der Bauch vibriert,
Mit Jubel wird dann veneriert:
Es lebe, es lebe, es leb‘ die Schultheißin hoch!

Wir schwören ew’ge Treue ihr,
So lang der Fasching währt.
Des Aufruhrs giftig Ungetüm
Zück nie das scharfe Schwert:
So wahr der Wein das Herz erquickt,
Bleib‘ unsere Treue unverrückt
Und jauchze, und jauchze der teuren Schultheißin hoch!

Weiberfastnacht und
das Rollenbild der Frau.

Man kann die Beueler Weiberfastnacht als rein karnevalistischen Akt sehen – und das soll und will sie eigentlich auch sein. Dennoch sei einmal der Gedanke erlaubt, ob nicht eigentlich viel mehr hinter dem selbstbewussten Auftritt der Beueler Waschweiber zu erkennen ist als “nur” eine kurzfristig auflodernde Flamme der Ausgelassenheit, die dann wieder bis zur nächsten Session auf halber Flamme vor sich hinkocht.

In Zeiten, in denen so viel über das Rollenbild der Frauen diskutiert wird, ist die Weiberfastnacht doch so etwas wie die Entdeckung der Frauenpower. An Weiberfastnacht übernehmen die Frauen das Ruder, die Macht und geben sie erst dann wieder ab, wenn ihnen danach ist. Weiberfastnacht ist gelebte Emanzipation. Und die Männer wissen ihr nichts entgegenzusetzen – weil sie nicht wollen, weil ihnen die Hände gebunden sind, weil sie dem Charme der Wiever nichts entgegenzusetzen haben.
Frauen, wie wär’s mit etwas mehr Weiberfastnacht-Power im Alltag? Die Männer könnten es gut gebrauchen.